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Was kostet Atomstrom wirklich?

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Eingestellt 31, Okt 2014 in Energiewende von Katharina Uhr (228 Punkte)
Es gibt ja immer noch Leute, die glauben dass Atomstrom günstig ist. Wie das sein kann ist eigentlich fast nicht zu glauben, wahrscheinlich durch Märchenartikel, welche ab und zu mal durch die Presse gehen. Die Experten hier können doch sicher sehr transparent darstellen, was Atomstrom wirklich kostet. Ich habe auf jeden Fall mal gehört, dass wenn man Fukushima mit einrechnen würde, dann würde das KW Atomstrom ca. € 20,- kosten.
   

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Beantwortet 31, Okt 2014 von Michael Stöhr (1,180 Punkte)
11,2 ct/kWh im Fall des geplanten Kraftwerks Hinkley Point C, Großbritannien, wenn man die externen Kosten vernachlässigt, die im Wesentlichen durch das Risiko eines Unfalls bestimmt und schwer zu berechnen sind. So hoch ist zumindest die vor kurzem von der Europäischen Kommission genehmigte Vergütung, die die britische Regierung dem Betreiberkonsortium garantieren will. Es soll zudem ein Inflationsausgleich gewährt werden. Nimmt man an, dass dieser 2% pro Jahr beträgt, wächst die garantierte Vergütung auf 22,4 ct/kWh am Ende der 35jährigen Laufzeit an.

Dies ist zunächst mit den nach EEG gewährten Vergütungssätzen für erneuerbare Energien zu vergleichen. Diese liegen für fast alle Neuanlagen bereits unter 11,2 ct/kWh, bei Windkraftanlagen sogar bei fast der Hälfte dieses Wertes. Zudem wird nach EEG kein Inflationsausgleich gewährt.

Ein Grund dafür, dass bei Neuanlagen EE-Strom günstiger als Atomstrom ist, liegt neben der Kostenentwicklung der Kraftwerke darin, dass die Betreiber von EE-Anlagen mit einer geringeren Eigenkapitalrendite zufrieden sind, bei Bürgerenergieanlagen zum Beispiel mit 4%, was mit den EEG-Vergütungen gegenwärtig in etwa erreicht werden kann, wogegen das Betreiberkonsortium von Hinkley Point C nach der von EdF veröffentlichten Pressemitteilung vom 21. Oktober 2013 eine Eigenkapitalrendite von 10% erwartet (http://medias.edf.com/communiques-de-presse/tous-les-communiques-de-presse/2013/hinkley-point-c-284578.html&return=54). Sowohl bei Atom- als auch Wind- und Solarkraftwerken sind die Stromgestehungskosten stark durch die anfänglichen Investitionskosten bestimmt, während die Betriebskosten nur einen sehr kleinen Anteil haben. Finanzmathematisch bedingt schlagen sich Unterschiede in der erwarteten Eigenkapitalrendite darum sehr viel stärker durch als zum Beispiel bei Gas- oder Biomassekraftwerken, bei denen die Betriebskosten eine größere Rolle spielen. Im hypothetischen Grenzfall eines Kraftwerks, dass nur anfängliche Investitionskosten und keine Betriebskosten hat, führt eine Eigenkapitalrenditeerwartung von 10% zu 60% höheren Stromgestehungskosten als eine Eigenkapitalrenditeerwartung von 4%. Anlagen in Bürgerhand machen also die Stromversorgung deutlich günstiger!

Ein gern gemachter Einwand ist nun, dass ja Wind- und Solarstrom "nicht so viel wert" weil nicht genauso zuverlässig verfügbar sei wie Atomstrom und man darum die Einspeisevergütungen für Hinkley Point C nicht mit denen nach EEG vergleichen dürfe. Auch dies wurde schon genauer durchgerechnet: Eine Studie von Prognos für Agora Energiewende verglich ein Stromversorgungssystem mit 50% Wind- und Solarkraft- und 50% Gasstromanteil mit einem 50% Atom- und 50% Gasstromanteil. Beide Systeme sind gleich zuverlässig, erstes jedoch 20% günstiger als zweites (http://www.agora-energiewende.de/themen/optimierung/detailansicht/article/klimaschutz-wird-mit-erneuerbaren-deutlich-preiswerter-als-mit-atomkraft/).

Erneuerbarer Strom ist also mittlerweile auf jeden Fall günstiger als Atomstrom, wenn man neue Kraftwerke betrachtet - selbst wenn man die horrenden externen Kosten von Atomstrom nicht berücksichtigt.
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Beantwortet 31, Okt 2014 von Cornelia Daniel (248 Punkte)
Hallo,

die Frage ist wie du die 20,- meinst. Meinst du Kosten von Euro 20,-/kWh oder Euro 20,-/MWh?.

Über die Kosten von Atomstrom wird schon lange gestritten. Je nachdem welche Annahmen getroffen werden liegen die Kosten von Atomstrom zwischen € 0,03/kWh und € 0,15/kWh bzw. zwischen 30,-/MWh 150,-/MWh.

Worauf man bei dieser Diskussion jedoch in jedem Fall aufpassen muss, ist, ob man von abgeschriebenen Kraftwerke spricht, oder von Neubauten. Neubauten sind definitiv nicht mehr wirtschaftlich betreibbar. Abgeschriebene Kraftwerke produzieren dagegegen tatsächlich oft noch billigen Strom. Deshalb wird ja um jedes Jahr Laufzeitverlängerung gestritten. Die Baukosten sind in den letzten Jahren explodiert und vor allem muss man immer darauf achten welche Laufzeit den Gestehungskosten hinterlegt wird. Das ärgste ist aber, dass sie immer auf 60 Jahre gerechnet werden, es aber noch kein einziges gibt, das je so lange gelaufen ist. Manche wurden nach 25 Jahren abgedreht und dann springen die zuvor schön gerechneten Zahlen nach oben.

Ich hab die Systematik hier einmal erklärt.

http://www.ecoquent-positions.com/wie-man-kosten-eines-atomkraftwerks-berechnet/

Um auf deine Frage mit dem Unfall zu kommen. Über die wahren kosten weiß leider niemand Bescheid. Es werden zwichen 100 und 300 Mrd. angenommen. Hier eine schöne Auflistung aller Kosten von Atomunfällen: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/atomunfaelle-schadenskosten100.html

Ich hab damals mit 310 Mrd. gerechnet und bin dann auf Gestehungskosten von € 20,-/kWh (im Vergleich zu 5 CENT/kWh) was soviel heißt wie 20.000,-/MWH, wenn ich mich jetzt nicht verrechnet hab. Ist aber wirklich keine wissenschaftliche Berechnung, sonder die Gesamtkosten einfach zu den Baukosten dazugerechnet inkl. dem Unfall.
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Beantwortet 31, Okt 2014 von Erhard Renz (699 Punkte)

Das hat Cornelia in ihrem Blog mal bis in's Detail in einer Formel dargestellt. Viel Spaß dabei

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Beantwortet 1, Nov 2014 von Christian Breyer (40 Punkte)

Die größte Subvention, die wir für Kernkraftwerke bezahlen ist die Versicherungsprämie für den Fall eines (Super-)GAUs. Letztlich benötigen wir alle eine Haftpflichtversicherung für das Fahren eines Autos, was de facto aber nicht für das Betreiben von Kernkraftwerken gilt, da die Obergrenze bei rund 2,5 Mrd. € liegt - Fukushima zeigt sehr eindrucksvoll, dass solche Summen lächerlich sind.

KEIN einziges Kernkraftwerk weltweit verfügt über eine auch nur annähernd genügende Haftpflichtversicherung aus zwei ganz einfachen Gründen: einerseits sehen sich selbst die kapitalkräftigsten Versicherungsgesellschaften der Welt - auch im Konsortium - nicht im Stande ein derart gigantisches Risiko zu tragen und andererseits ist genau diese Subvention nötig, weil ansonsten KEIN einiziges Kernkraftwerk auch nur annähernd wirtschaftlich zu betreiben wäre - übrigens gilt dies für alte wie neue Kernkraftwerke, völlig unabhängig davon ob sie bereits abgeschrieben sind oder nicht.

Finanzmathematiker haben dennoch einmal die Kosten dieser Subvention durchgerechnet und kamen auf Summen von 2 € - 64 € pro kWh erzeugtem Strom - der Wert an der Strombörse beträgt gegenwärtig 0,035 € pro kWh mit anderen Worten: allein diese eine Subvention beträgt das 50 bis ca. 2000 fache des ökonomischen Wertes!!

Die Studie findet sich unter:

http://www.bee-ev.de/3:720/Meldungen/2011/AKW-nicht-versicherbar-BEE-verlangt-ehrliche-Kostendebatte.html

Wird gut sein, dass die Kernkraftwerke in Deutschland bald abgeschalten sind. Hut ab vor der Regierung in Österreich, die gegen die garantieren Vergütungen in Großbritannien (siehe die anderen Beiträge) vor dem Europäischen Gerichtshof klagen will - wieder einmal peinlich für die Regierung in Deutschland, die nicht im Traum auf solche Ideen kommt - obwohl weniger als 10% der Deutschen Kernenergie für akzeptabel halten und mehr als 90% zügig mehr Erneuerbare Energien wollen - ich dachte bislang immer wir leben in einer repräsentativen Demokratie! - wie naiv, natürlich leben wir in einer Welt der Lobbyisten, die sich nicht darum scheren, was mehr als die absolute Mehrheit der Menschen eindeutig fordert.

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Beantwortet 3, Nov 2014 von Martin Werner (2,069 Punkte)
Was in den bisherigen Beiträgen nicht (ersichtlich) in Betracht gezogen wurde und was unbedingt in die Kostenbetrachtung mit eingerechnet werden muss, sind die Kosten für die Entsorgung des Atommülls (abgebrannte Brennstäbe) und den Abbau der KKWs und die Lagerung des mittel- und hochaktiven Schrotts aus diesen Anlagen.

Diese Kosten werden  nicht betriebswirtschaftlich erfasst, weil sie volkswirtschaftlich sozialisiert werden, d.h. der Steuerzahler trägt sie, ohne dass sie in seiner Stromrechnung auftauchen.
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